Standortübergreifende Sozialauswahl

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf hat mit Urteil vom 08.06.2022 (Az. 6 Sa 1118/21) der Kündigungsschutzklage eines Flugkapitäns, dessen Arbeitsverhältnis betriebsbedingt beendet wurde, wegen fehlerhafter Sozialauswahl stattgegeben.

Die beklagte Fluggesellschaft, die den Kläger seit 1999 beschäftigte, sah einen Betriebsumbau mit deutlich verkleinerter Flotte so wieder dauerhaften Schließung von insgesamt sechs Standorten und dadurch erheblich verringertem Personalbedarf vor. Im Zuge dieser Pandemie-Nachwehen wurde zwischen der Beklagten und der Gesamtvertretung Bordpersonal am 05.03.2021 ein Interessenausgleich geschlossen. Nur drei Wochen später kündigte die Airline dem Kapitän außerordentlich betriebsbedingt zum Jahresende. Dieser erhob Kündigungsschutzklage und führte an, dass das Flugaufkommen nur durch Überstunden des noch verbliebenen Personals bewältigt werden könne und ferner die Sozialauswahl fehlerhaft, nämlich bundesweit unter Einbeziehung aller Standorte, umgesetzt worden sei.

Die Richter:innen des LAG erachteten zumindest die Durchführung der Sozialauswahl als nicht ordnungsgemäß. Die in § 1 Abs. 3 Kündigungsschutzgesetz normierte Auswahl darf allein vergleichbare Arbeitnehmer:innen umfassen. Eins der Vergleichbarkeit begrenzenden Kriterien ist die Versetzbarkeit. Sofern, wie vorliegend, der Arbeitnehmer aufgrund eines vertraglich vereinbarten "dienstlichen Wohnsitzes" nicht versetzbar ist (im Gegensatz zu einigen Kollegen), muss die Sozialauswahl standortbezogen stattfinden. Die Kündigung war somit sozial ungerechtfertigt, mithin rechtsunwirksam.

Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wurde zugelassen.

Autor
Felix Grünebaum, wissenschaftlicher Mitarbeiter
Veröffentlicht am:
30/6/2022
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