Öffentlichkeitsgrundsatz gilt auch in der Pandemie

In seinem Beschluss vom 02. März 2022 (Az. 2 AZN 629/21) entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG), dass pandemiebedingte Einschränkungen nicht zur vollständigen Zutrittsverweigerung Verfahrens-Unbeteiligter führen dürfen.

Die Gerichtsverwaltung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Hamburg gestattete in der zugrundeliegenden mündlichen Berufungsverhandlung genau zehn Personen den Zutritt zum Sitzungssaal. Diese zulässige Personenzahl wurde allerdings schon durch die verfahrensbeteiligten Richter:innen, Anwält:innen und Parteien ausgeschöpft, sodass sonstigen beliebigen Zuhörer:innen der Zugang verwehrt war. Das BAG sah darin einen nicht begründeten Ausschluss der Öffentlichkeit. Obgleich kein Anspruch der Öffentlichkeit auf unbegrenzte Plätze besteht und Zutritt natürlich nur i.R.d. tatsächlichen räumlichen Möglichkeiten gewährt werden kann, darf eine an sich zulässige Beschränkung der Zuhörerzahl nicht im vollständigen Ausschluss von beliebigen, am Prozess unbeteiligten Personen resultieren. Auch die Zulassung einer einzigen Person käme gemäß BAG faktisch noch einem Ausschluss gleich.

Funktion des Gebots der Öffentlichkeit ist die Verhinderung von "Geheimjustiz" sowie die öffentliche Kontrolle der Verhandlung. Die Einhaltung steht im mündlichen Verfahren nicht zur Disposition der Parteien. Aufgrund des Stellenwerts des Öffentlichkeitsgrundsatzes im Arbeitsgerichtsverfahren genügte den Richter:innen auch eine erst nach der Verhandlung ergangene Rüge.

Im Ergebnis lag damit nach § 547 Nr. 5 ZPO ein absoluter Revisionsgrund vor.

Das Urteil des LAG wurde aufgehoben und das Verfahren zurückverwiesen.

Autor
Felix Grünebaum, wissenschaftlicher Mitarbeiter
Veröffentlicht am:
30/4/2022
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